Material des Monats: Polystyrol Hartschaum

von | Okt 9, 2023 | Allgemein, Kreativität + Inspiration, Material + Wissen

Polystyrol Hartschaum ist in erster Linie in der Welt, um Häuser damit einzupacken. Die Grundidee des Dämmens, mit stehender, eingeschlossener Luft den Wärmeabfluss von warm nach kalt zu verlangsamen, lässt sich hier gut nachvollziehen. Während es ein Kubikmeter ungeschäumtes Polystyrol (PS) mit einer Rohdichte um 1,05 kg/l knapp schafft, im Wasser unterzugehen, kann das geschäumte PS sehr gut als Schwimmkörper verwendet werden. Für einen Liter Dämmstoff werden nämlich gerade mal 20 Gramm Polystyrol eingesetzt, die Rohdichte liegt also bei nur 0,02 kg/l. Der Rest (ca. 0,98 Liter) ist also eingeschlossene Luft. Über die Gewinnmarge der Dämmstoffindustrie denken wir nun aber nicht nach. Hier soll es auch nicht um Dämmung gehen, sondern um die Verwendung des Materials jenseits des Bauens.

Was kann Polystyrol?

Der Ausgangsstoff Polystyrol (PS) hat erst einmal viele positive Eigenschaften. Er ist wasserfest, physiologisch unbedenklich, schimmel- und bakterienresistent und kann als thermoplastischer Kunststoff leicht über formgebende Verfahren wie das Tiefziehen und Extrudieren in beliebige Formen gebracht werden. Wir finden PS als Joghurtbecher, Kugelschreiber oder Blumentopf bei uns zu Hause. Nur bei Produkten für den belichteten Außenbereich werden wir PS nicht finden, obwohl es vollkommen wasserresistent ist. Der Grund dafür ist die sehr geringe UV-Beständigkeit. PS versprödet bei Tag bzw. unter Sonnenlicht.

Das Schäumen: Expandieren (Kügelchen) vs. Extrudieren (Zellstruktur)

Polystyrol Hartschaum gibt es noch gar nicht so lange. 1949 experimentierte der Chemiker Fritz Stastny bei der BASF mit Polystyrol. Er füllte eine Blechdose zu etwa einem Fünftel mit Polystyrolplittern und dem Treibmittel Pentan. Es bildete sich eine klare und harte Scheibe. Die Scheibe wollte er in der Dose noch trocknen, vergaß sie dann aber im Wärmeschrank. Als er am nächsten Morgen ins Labor zurückkam, hatte das Gemisch den Dosendeckel angehoben: Die Scheibe war zu Schaumstoff geworden und hatte sich enorm ausgedehnt. Dieses Experiment begründete die Entwicklung von Styropor (EPS – Expandierter Polystyrolschaum), das nach diesem Prinzip bis heute hergestellt wird. Am 28. Februar 1950 meldet Stastny seine zufällig entdeckte Methode zum Patent an. Heute werden zuckerfeine Polystyrolkügelchen mit Wasserdampf aufgeblasen. Dieses Vormaterial wird dann in eine Maschine gepumpt, die daraus mit Hilfe der „verschweißenden“ Hitze von Wasserdampf das Styropor expandiert. Bei diesem Verfahren bilden sich die typischen Styroporkügelchen im Styropor, die beim Brechen gerne frei werden und aufgrund statischer Aufladung kaum wieder zu bändigen sind.

Styropor Perückenkopf
zerbrochener Styroporkegel, die innere Struktur des aus Kügelchen geschäumten Materials wird an den Bruchflächen sichtbar.
ein Stück hellblaues Styrofoam wird von zwei Händen stark gebogen, damit es bricht.
zwei Hände halten zerbrochenes Styrofoam und zeigen die Bruchflächen

In einem anderen Verfahren, dem Extrudieren, wird ein homogenerer Polystyrol-Hartschaum hergestellt, der keine Kügelchenstruktur sondern eine gleichmäßige Zellstruktur aufweist. Hierbei wird erwärmtes, flüssiges PS unter Beimengung eines Treibgases wie CO2 oder Pentan durch eine Düse gepresst. Das Ergebnis ist ein feinporiger, druckfester Hartschaum (XPS – Extrudierter Polystrolschaum), zum Beispiel Styrodur oder Styrofoam, der aufgrund der Festigkeit und der geringen Wasseraufnahme gerne für Dämmanwendungen gegenüber dem Erdreich (Perimeterdämmung – Kellerwände oder Bodenplatte) verwendet wird.

Die Verwendung und die Farbe

ein kleiner, hellblauer Quader aus Styrofoam steht auf dem Tisch vor einem dunklen Hintergrund

PS ist als Rohmaterial zunächst einmal farblos, transparent. Geschäumtes PS wird durch das Schäumen weiß. Das typische Weiß war aber lange Zeit dem EPS (Styropor) vorbehalten. Es gehörte sozusagen zur Qualitätserkennung. Hersteller von XPS differenzierten ihre Produkte vom EPS über die Farbe ihrer Produkte. Da die Verwendung als Dämmmaterial immer verdeckt stattfindet (siehe UV-Beständigkeit), spielt es gestalterisch keine Rolle, ob der Dämmschaum grün, lila oder blau ist. Sieht ja eh keiner. Möchte man den schönen Schaum aber anderweitig verwenden, stören die hässlichen Farben und Aufdrucke der Hersteller ziemlich. Architekten beispielsweise entdeckten den homogenen und gut zu verarbeitenden XPS nämlich für den Bau von Stadtmodellen. Mittels eines heißen Drahts lässt sich der Schaum leicht und sauber schneiden. Und weil sich das anfühlt wie mit einem heißen Messer durch Butter zu schneiden, macht es auch richtig Spaß. Aber ein Stadtmodell mit lila Häuschen? Das wollte keiner, also musste ein farbiges Farbspray her. Aber erstens ist dann entweder nur das komplette Modell homogen farbig oder man muss jedes einzelne Häuschen ansprühen, was aufgrund der geringen Rohdichte dann gerne mal beim Sprühen weggepustet wird. Daher beim Sprühen im Zweifel die Schaumteile mit einer Nadel oder einem Stück Klebeband fixieren. Zweitens muss eine Sprühfarbe genutzt werden, die den PS-Hartschaum nicht verätzt, denn PS ist nicht lösungsmittelbeständig, sondern löst sich beim Kontakt mit organischen Lösungsmitteln. Daher auf die Eignung des Sprays für PS-Hartschaum achten! Übrigens enthalten auch etliche Klebstoffe organische Lösungsmittel. Bitte auch bei der Wahl des Klebstoffs auf die Eignung achten!

ein hellblauer Quader Styrofoam wird mit einer Heißdrahtsäge entlang eines Anschlags gerade und rechtwinklig geteilt.
ein hellblauer Quader Styrofoam wird mit einer Heißdrahtsäge entlang eines Anschlags gerade und rechtwinklig geteilt. (andere Perspektive, Schnitt bereits fast durch den gesamten Quader.)

Früher fiel es uns jahrelang äußerst schwer, einen weißen XPS (z. B. Styrofoam oder Styrodur) für unser Sortiment zu finden. Fündig wurden wir weit entfernt in Südeuropa bei einem Hersteller, der uns weißen Schaum anbot. Wir mussten aber pro Bestellung eine gesamte Produktion davon abnehmen, die dann später in zwei Sattelschleppern bei uns ankam. Das war einerseits immer eine ziemlich teure Bestellung und anderseits bei der Lieferung eine Herausforderung im Lager. Aber das ist Geschichte. Mittlerweile gibt es Lieferanten, die das Produkt PS-Hartschaum in Weiß zur Anwendung als Modellbaumaterial, zum Basteln und Dekorieren erkannt haben und erfolgreich vermarkten. Daneben werden dünne weiße PS-Hartschaumplatten auch für die Herstellung von beidseitig mit Karton kaschierten Foamboards genutzt.

 

neben der Heißdrahtsäge liegt auf dem Tisch ein kleiner Haufen von Quadern aus weißem Polystyrol Hartschaum (XPS).
Ein Quader weißer PS-Hartschaum wird an einer Heißdrahtsäge entlang des Anschlags durch den heißen Draht geführt. Damit wird die eine Fläche recht dünn vom Quader abgetrennt. Die abgetrennte Fläche ist orangerot.

Polystyrol Hartschaum bearbeiten

In der Bauindustrie wird ein möglichst hoher Dämmwert im Dämmmaterial gefordert. Dieser ist höher, wenn möglichst viel Luft im Material eingeschlossen ist. Die Lufteinschlüsse im Polystyrol Hartschaum sind die Poren im Schaum. Großporiger Schaum dämmt also besser. Im Gegensatz dazu ist beim Modellbau möglichst feinporiger Schaum gefragt. Denn der feinporige Schaum bildet schönere Oberflächen beim Schneiden an der Heißdrahtsäge, lässt sich besser nachbearbeiten, zum Beispiel schleifen, und es entstehen festere und etwas unempfindlichere Körper. Neben dem Modellbau hat sich aufgrund elektronisch ansteuerbarer (CNC-)Heißdrahtsägen im Bereich der Ladendekoration ein weiteres Anwendungsgebiet eröffnet. Leicht und kostengünstig können nun dreidimensionale Buchstaben und Objekte zur Dekoration beispielsweise für den Messe- und Ladenbau hergestellt werden, die am Rechner entwickelt werden. Die Oberflächen der Buchstaben und Objekte werden zumeist noch weiterbearbeitet und lackiert oder beschichtet. Das ist im Messebau auch aufgrund des Brandschutzes nötig. Polystyrol Hartschaumplatten sind nämlich grundsätzlich erst einmal brennbar. Sie können als Dämmstoff zwar mit Flammschutzmittel behandelt sein, wodurch sie als schwer entflammbar gelten. Allerdings dürfen sie in Deutschland als Wärmedämmung an Fassaden nur bis zu einer Höhe von 22 m verbaut werden, sofern sie Teil eines Wärmedämmverbundsystems sind, innerhalb dessen die Platten mit einem speziellen Putz abgedeckt werden.

Mit einem Hoto Cutter für 18 mm Klingen wird ein Stück hellblauer Fotokarton zerschnitten.
in einer Silikonform ist zähflüssige, grüne Gipsmasse eingefüllt. Sie liegt auch teilweise auf der Form und an anderer Stelle ist die Form nicht ganz gefüllt. Die Silikonform wird von zwei Händen leicht gerüttelt, damit die Gipsmasse ganz in die Form fließt.

Neben dem heißen Draht für feine und saubere Schnitte, die mit dem entsprechenden Gerät auch frei (ungeführt) ausgeführt werden können, kann PS-Hartschaum auch mit dem Cutter oder mit Sägen (z. B. einer Japansäge) getrennt werden. Die Cutterklinge bleibt beim Schneiden gerne mal im Material stecken, daher die Klinge möglichst flach durch den Schaum ziehen. Wenn sie nicht mehr hundertprozentig scharf ist, werden die Schnitte auch nicht mehr ordentlich. Die Klinge reißt dann das Material und zieht es hinter sich her. Das lässt sich aber bei kleineren Unsauberkeiten mit Schleifpapier nachträglich korrigieren. Daneben ist ein Spachteln der Oberflächen mit verschiedensten Spachtelmassen auf Dispersions-, Gips- oder Zellulosebasis gut möglich.

Polystyrol Hartschaum fügen und färben

Auf einem Werktisch werden mehrere kleine Polystyrol-Quader mithilfe von Uhu Por zusammen geklebt.
Auf einem Werktisch werden mehrere kleine Polystyrol-Quader mithilfe von Uhu Por zusammen geklebt.
Auf einem Werktisch wurden mehrere kleine Polystyrol-Quader mithilfe von Uhu Por zusammen geklebt.

Polystyrol ist in etlichen organischen Lösungsmitteln wie Aceton, Essigsäureethylester, Dichlormethan oder Toluol löslich. Beim Auftragen von Klebstoffen oder Farben solltest Du daher immer darauf achten, dass diese keine dieser Lösungsmittel enthalten. Da sich für Hartschaum kaum eine andere Verbindungsmöglichkeit neben dem Kleben anbietet, haben die Klebstoffhersteller einige Produkte entwickelt, die hierfür geeignet sind. Du kannst Styroporkleber genauso verwenden wie Uhu Por oder Tesa Alleskleber. Klebebänder sind fast ausnahmslos geeignet und sogar manche Sprühkleber kannst Du benutzen. Im Zweifel sind Vorversuche immer der beste Weg, die Eignung zu prüfen.

Für Farben, mit denen Du auf Polystyrol Hartschaum arbeiten möchtest, gilt dasselbe. Besser vorher an einem Reststück ausprobieren. Ohne Vorversuch kannst Du aber ausgezeichnet Acrylfarben oder Plakatfarben auf PS-Hartschaum verwenden und sogar ein Farbspray bei uns im Sortiment ist für das Ansprühen des Schaums geeignet. Wer andere Farben nutzen möchte, nutzt zuvor eine Grundierung.

neben einem frei beschnittenen Block Polystyrol-Hartschaum (weiß) steht eine Literflasche Aceton. Diese wird gerade von zwei Händen gegriffen.
Auf einen frei beschnittenen, weiße Polystyrol-Hartschaumblock wird Aceton aus einer Literflasche gegeossen.
Aceton hat Polystyrol-Hartschaum verätzt. Der weiße Hartschaumblock ist deformiert und leicht bläulich verfärbt.
Ein Reststück weißes Styrofoam wird mit Kupferspray von einer Seite angesprüht.

Kupferspray auf Polystyrol-Hartschaum …

Ein Reststück Styrofoam ist einseitig mit Kupferspray besprüht.

… sieht zunächst gut aus …

Ein Stück Styrofoam wurde von einer Seite mit Kupferspray besprüht. Ergebnis: Die Farbe löst den PS-Hartschaum an.

… verätzt aber den Hartschaum dann doch.

Polystyrol Hartschaum entsorgen

Die oben erwähnte „gute“ Eigenschaft, dass Polystyrol wasserfest ist, ist hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen ein Problem. Kommt Polystyrol in die Natur, bleibt es dort über Jahrzehnte. Zunächst ist es zwar physiologisch unbedenklich. Es geht also keine unmittelbare Gefahr auf Organismen von Polystyrol aus. Damit Polystyrol irgendwann nicht mechanisch zerkleinert in den Weltmeeren landet und in die Nahrungskette gelangt, ist es unbedingt wichtig, Polystyrol dem Recycling zuzuführen.  Als thermoplastischer Kunststoff lässt sich PS gut recyceln. Voraussetzung dafür ist allerdings wie immer die sortenreine und saubere Rückführung des Wertstoffs zur Recyclinganlage. Bevor Polystyrol deponiert wird, sollte es kontrolliert in einer Verbrennungsanlage thermisch verwertet werden.

Das zusammengeklebte Modell aus kleinen PS-Hatschaumquadern wird hellgrau angesprüht.

Mit der richtigen Sprühfarbe …

Das zusammengeklebte Modell aus kleinen PS-Hatschaumquadern wird hellgrau angesprüht.

… klappt’s auch mit dem Besprühen.

Zu guter Letzt: Airpop

Kennt Ihr Airpop? Nein? Aber Ihr kennt wahrscheinlich Styropor. Und es ist dasselbe …

Das ist nicht so einfach mit der (Um-)Benennung und der Kontrolle über den Sprachgebrauch. Bereits seit Mai 2014 möchte ein Zusammenschluss von Herstellern, Lieferanten und Verarbeitern von expandiertem Polystyrol in der Verpackungsbranche den Namen „Airpop“ etablieren. Vielleicht funktioniert der Name Airpop theoretisch über Sprachgrenzen hinweg besser als Styropor, vielleicht ist auch die Abgrenzung gegenüber dem Dämmstoff Styropor das Ziel der Umbenennung. Unter dem Strich bleibt festzuhalten:  Der Erfolg der Kampagne ist überschaubar, für die meisten bleibt es im deutschen Sprachraum Styropor.